Dreck
Auf unserem Friedhof steht eine riesige, uralte Blutbuche. Ein Baum von einzigartiger Schönheit. Ein „Naturdenkmal“. Neulich sprach mich auf jenem Friedhof eine Frau an und schimpfte:
„Was dää färren Dreck meschd. Sou en Baom geheerd imgemaachd“.
["was der für einen dreck macht. so ein baum gehört umgemacht"].
Und das ist durchaus Mehrheitsmeinung. In einem kleinen Dorf im Odenwald, wohlgemerkt.
Was hätte ich der Dame antworten sollen? Unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet hat sie recht. Wenn man die Minuten addiert, die fleißige Grabpfleger mit dem Wegräumen des "Drecks" beschäftigt sind, den dieser Baum, gerade jetzt im Herbst produziert, kommen schon einige Tage zusammen. Der Baum bindet also auf Dauer ein nicht unerhebliches Potential an Arbeitskraft. Arbeitskraft für eine sinnlose Tätigkeit. Also letztendlich eine Verschwendung von Ressourcen...
Und unter ästhetischen Gesichtspunkten betrachtet muß man nüchtern feststellen, daß in den sauberen Granitfluchten unserer modernen Grabplatten"kultur" dieser Baum wie ein Fremdkörper wirkt...
Ich fürchte, in dem Maße, in dem wir die Natur „entzaubert“, ihr die letzten Geheimnisse glauben entrissen zu haben, sie nicht mehr als Schöpfung begreifen, sondern als Ressource, die wir nach Belieben ausbeuten können, haben wir auch das Staunen verlernt. Und somit eigentlich NICHTS verstanden.
Immerhin haben uns Naturwissenschaft und Technik in die Lage versetzt, immer deutlicher zu erkennen, daß Mensch und Natur einfach nicht mehr kompatibel sind.
Offenbar ein Schnittstellenproblem...
Weißt du, daß die Bäume reden?
Ja, sie reden.
Sie sprechen miteinander,
und sie sprechen zu dir,
wenn du zuhörst.
Aber die weißen Menschen
hören nicht zu.
Sie haben es nie der Mühe wert gefunden,
uns Indianer anzuhören,
und ich fürchte,
sie werden auch auf die anderen Stimmen
in der Natur nicht hören.
Ich selbst habe viel von den Bäumen erfahren:
manchmal etwas über das Wetter,
manchmal über Tiere,
manchmal über den Großen Geist.
[Tatanga Mani]
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